Die Pflege spielt eine entscheidende Rolle, denn biodiverse Grünflächen entfalten ihre ökologische Wirkung erst im Laufe der Zeit und nur durch eine fachgerechte Pflege. Diese trägt massgeblich zur ökologischen Qualität und Funktionsweise von Lebensräumen bei. Eine naturnahe Pflege kann dazu beitragen, die Unterhaltskosten zu reduzieren, z.B. durch den geringeren Einsatz kostenintensiver Hilfsstoffe wie mineralischer Dünger oder Pestizide oder durch selteneres Mähen des Rasens. Allerdings ist die naturnahe Pflege in der Regel anspruchsvoller als die Pflege herkömmlicher Anlagen. Sie erfordert Fachwissen und Erfahrung, z.B. Kenntnisse über die einheimische Flora, die möglicherweise erst erworben werden müssen. Bereits durch die Anpassung der Pflege und das Einhalten weniger Prinzipien der naturnahen Pflege können Grünräume ökologisch aufgewertet werden. Bei grösseren Flächen (z.B. Pärke, Areale) kann das Konzept der differenzierten Pflege angewendet werden.
Schaffen und Erhalt von Lebensräumen
Krautsäume, ungemähte Wiesenflächen und Rasen bilden ein Lebensraummosaik, das auch eine Nutzung durch den Menschen zulässt. Foto: M. Di Giulio
Eine naturnahe Pflege erhält bestehende ökologisch wertvolle Lebensräume wie alte Bäume oder Sträucher und schafft neue Strukturen oder Lebensräume, zum Beispiel indem Krautsäume stehen gelassen werden, die Tieren als Überwinterungsplatz dienen. Es werden auch wilde Ecken zugelassen, in denen die Natur Vorrang hat und etwas verwildern darf. Im Herbst werden abgestorbene Stängel stehen gelassen und das Laub wird zu Haufen zusammengeführt, um Tieren Unterschlupf zu bieten. Abgestorbene Äste an Bäumen werden nur entfernt, wenn sie eine Gefahr für Menschen darstellen. Für kranke Bäume, die bald gefällt werden müssen, wird frühzeitig Ersatz gepflanzt. Sträucher werden nur bei Bedarf und artgerecht zurückgeschnitten und dürfen in ihrer natürlichen Form wachsen.
Bepflanzung
Die Blüten von Wildrosen sorgen für ein reichhaltiges Angebot an Nektar und Pollen für Insekten wie Schmetterlinge, Käfer oder Bienen. Foto: M. Di Giulio
Bei Neu- oder Ersatzpflanzungen werden vorzugsweise einheimische und standortgerechte Pflanzen gewählt. Auf invasive gebietsfremde Pflanzenarten wird verzichtet und wenn sie spontan auftreten, werden sie bekämpft. Beim Kauf von einheimischen Pflanzen ist die Herkunft des Saatguts zu beachten. Es sollten nur Lieferanten berücksichtigt werden, die standortheimisches Saatgut für die Produktion der Pflanzen verwenden und dies nachweisen können. Bei Kräutern und Gräsern ist es einfacher, solche Lieferanten zu finden als bei Sträuchern und Bäumen. Die meisten Baumschulen bieten zwar einheimische Arten an, aber oft ist unklar, woher das Saatgut für diese Pflanzen stammt.
Hilfsmittel
Der gebänderte Pinselkäfer gehört zu den zahlreichen Insekten, die durch eine naturnahe Pflege ohne Pestizide gefördert werden kann. Foto: A. Krebs
Bei der naturnahen Pflege wird auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Insektizide sind unter anderem für das Insektensterben verantwortlich. Herbizide vernichten Wildkräuter, die für Insekten als Nahrung oder Schutz wichtig sind. Pestizide und ihre Abbauprodukte belasten auch Böden und Gewässer. Unerwünschte Pflanzen werden bei der naturnahen Pflege von Hand entfernt oder es werden andere schonende Massnahmen angewendet, wie zum Beispiel das Abflammen. Auf den Einsatz von mineralischem Dünger sollte verzichtet werden, da magere Standorte für die Biodiversität besonders wertvoll sind. Nährstoffarme Böden bieten ideale Lebensräume für artenreiche Pflanzen und seltene Arten. In der Kulturlandschaft verschwinden solche Standorte immer mehr, zum einen durch Düngung in der Landwirtschaft, zum anderen durch den flächendeckenden Eintrag von Nährstoffen über die Luft, auch in naturnahe Lebensräume wie Wälder und Naturschutzgebiete.
Invasive gebietsfremde Pflanzenarten
Der Götterbaum ist eine Neophyt, der sich rasch ausbreitet und einheimische Pflanzen verdrängen kann. Foto: M. Di Giulio
Bei der naturnahen Pflege werden invasive gebietsfremde Pflanzenarten bekämpft, die in der Studie des Bundesamts für Umwelt aus dem Jahr 2022 aufgeführt sind. Invasive gebietsfremde Pflanzen sind nicht-einheimische Pflanzen (sogenannte Neophyten), die absichtlich oder unabsichtlich aus fremden Gebieten (meist anderen Kontinenten) eingeführt wurden und sich in unserer Natur etablieren, indem sie sich effizient auf Kosten einheimischer Arten ausbreiten und diese verdrängen. Sie tragen weltweit zum Rückgang der biologischen Vielfalt bei. Werden invasive gebietsfremde Pflanzenarten entdeckt, sollten sie fachgerecht entfernt und entsorgt werden. Die behandelten Flächen sollten etwa ein Jahr lang kontrolliert werden. Bei Bedarf sollten die behandelten Flächen neu bepflanzt werden. Offene Flächen begünstigen die Ansiedlung neuer Neophyten.
Geschlossene Kreisläufe und Materialwahl
Aus dem Schnittgut von Wiesen können sog. Tristen oder Grashaufen entstehen. Foto: M. Di Giulio
Die naturnahe Pflege schliesst, wo immer möglich, die natürlichen Kreisläufe ein, zum Beispiel indem das anfallende organische Material wie Laub und Astmaterial vor Ort belassen und für die Schaffung von Kleinstrukturen genutzt wird. Regenwasser wird vor Ort versickern gelassen, um wertvolle wechselfeuchte Standorte und Wasserquellen für Tiere zu schaffen. Auf die Verwendung von Torf wird verzichtet, um die Torfgebiete in den verbleibenden Abbaugebieten zu schonen. Es werden nur Materialien verwendet, die bei ihrer späteren Entsorgung keine vermeidbare Umweltbelastung verursachen oder als Sonderabfälle gelten. Das eingesetzte Material sollte möglichst aus der näheren Umgebung stammen, um die Umweltbelastung durch Transport und Lagerung zu minimieren.
Arbeitshilfen
Biologische Hilfsmittel
Bezugsquellen einheimische Pflanzen und Saatgut
Gebietsfremde invasive Pflanzenarten
- BAFU (Hrsg., 2022): Gebietsfremde Arten in der Schweiz. Übersicht über die gebietsfremden Arten und ihre Auswirkungen.
- JardinSuisse (2023). Invasive Neophyten und Neophyten mit invasivem Potenzial. Version vom 7.6.2023
Handbücher Naturnahe Pflege
- Mehr als Grün. Praxishandbuch naturnahe Pflege
- Mehr als Grün: Profilkatalog naturnahe Pflege
- Naturnahe Pflege (Webplattform fokus-n)(ZHAW 2022)